Alles fake!
Verbrochen von Herrn Olsen am 14|11|2010Ich kenne eine nicht unerhebliche Zahl von ambitionierten Hobbyknipsern, die sich immer wieder fragen, warum ihre Bilder nicht so aussehen, wie sie sich das vorstellen.
Warum sie nicht so scharf, toll ausgeleuchtet, farbenfroh, detailreich oder insgesamt aussagekräftig sind wie das Zeug was einem in diesem Internet, von dem jetzt alle reden, an jeder Ecke begegnet.
Bestimmt gibt es mindestens genau so viele Frauen, die sich fragen, warum sie 2 Minuten nach dem Aufstehen nicht mindestens genau so frisch und ausgeruht aussehen wie das Model in dem Werbespot für die neueste Nachtcreme.
Um ehrlich zu sein: Mir geht das genau so.
Also das mit den Bildern.
Manchmal habe ich nämlich tatsächlich eine Vorstellung davon, wie ein Bild aussehen soll, wenn ich es knipse.
Das, was dann letztendlich auf der Speicherkarte landet hat damit aber noch nicht allzu viel zu tun.
Natürlich sollte das Ausgangsmaterial so gut wie möglich sein.
Perspektive, Ausschnitt und Lichtstimmung sollten passen – ebenso wie Blende, Brennweite und Belichtungszeit.
Ein verwackeltes Bild entwackelt man nachträglich nämlich nur mit erheblichem Aufwand und verdeckte Details des Motivs lassen sich nachträglich kaum wieder überzeugend hervormogeln.
Aber sei das Ausgangsmaterial noch so gut – kaum eines meiner Bilder, die hier im Blog oder auf flickr landen ist nicht nachbearbeitet.
Das liegt hauptsächlich daran, dass die Kamera ein Bild so aufzeichnet, wie es ist. Von einigen internen Spielereien, dem begrenzten Dynamikumfang und Eigenheiten des optischen Systems und des Sensors abgesehen versucht die Kamera einer wirklichkeitsgetreuen Abbildung so nahe wie möglich zu kommen. Und diese schonungslose Objektivität im Wortsinn sieht in der Regel alles andere als gut aus. Subjektiv betrachtet, natürlich.
Zum Glück bin ich aber mittlerweile in der Lage, mir meine Bilder so hin zu biegen wie ich das gerne hätte und wie ich meine, dass sie das zeigen, worauf es mir ankommt. Und ja: manchmal weiß ich das auch erst, nachdem ich an diversen Reglern gespielt habe. Und manchmal auch überhaupt nicht.
Bei dem hier zum Beispiel wollte ich die Dramatik eines bevorstehenden Hochwassers zeigen:
Alles da. Chaotisch gestapelte Sandsäcke versus schön symmetrische Fenster. Recht niedrige Perspektive für die entsprechende Dramatik… passt schon.
Trotzdem: Die Sandsäcke könnten schon noch ein bisschen mehr Kontrast und Zeichnung vertragen, insgesamt ist das Bild ein wenig zu flau für die gewünschte Wirkung und der halbe Fotografenkopp da in der Scheibe… na ja.
Also hab ich mit Gradationskurven, Kopierstempen, Ebenen, unscharfem Maskieren, Dodge und Burn so lange gefrickelt, bis das hier heraus kam:
Geht doch. Und hat kaum 10 Minuten gedauert.
Ich kann deshalb nur jedem empfehlen, sich neben den fotografischen Grundlagen auch ein wenig EBV-Wissen anzueignen.
Frauen schminken sich ja schließlich auch.
Respekt, schaut gut aus !
Dramatik pur !
RAW ist hier schon eine enorme Erleichterung!
Selig ist der, der schon beim fotografieren weiß, wie er was bearbeiten muss, um zu seinem Ergebnis zu kommen. Das gelingt mir selten, aber macht dann umso zufriedener. Und es ist gleichsam überraschend zu sehen, was aus einem „aus der Hüfte Schuß“ zwischen Telefon und Postbote plötzlich entstehen kann.
Ich habe aber eigentlich am häufigsten das Problem, dass das Motiv nicht das hergibt, was ich im Kopf habe und umsetzen möchte.
Aber tatsächlich hat man sich im Laufe der Zeit vom fotografieren doch irgendwie entmystifiziert, oder? „Wie hat er das gemacht“ frage ich eigentlich kaum noch. Eigentlich gebe ich mir selbst immer nur die Info „Da war aber XY% Photoshop“ beteiligt.
Man muss hier aber kein schlechtes Gewissen haben. Zur Analogzeit, wenn man seinen Film nicht gerade zum Discounter gebracht hat um ihn zu entwickeln, wurde im Fotolabor ja genauso getrickst. Damals nannte man es „entwickeln“. Nichts anderes machen wir mit Photoshop.
Du Faker, nein aber mal im Ernst, es gibt halt Fotos, die bis auf eine Winzigkeit ja sehr brauchbar sind. Das etwas dabei „getrickst“ wird halte ich für legitim, zumindest so lange man eine 60 jährige nicht auf 20 trimmt
Wo ist da jetzt der Unterschied? Außer dass das untere Bild irgendwie grüner ist??
Sabine: Gnaaaaa!
das bearbeitete hat mir einen zu grünen stich und ein wenig zu viel schärfe. oder wolltest du das so?
jens: Das Grün entspricht eher der Farbe des Anstrichs als das Rot im Originalbild. Zumindest meine ich, dass es so ist. (-:
Und die extrem geschärften Säcke sind Absicht, ja (der Rest ist ungeschärft).
„Frauen schminken sich ja schließlich auch.“
Das ist wohl das beste Argument für (nachträgliche) Bildbearbeitung, das ich bisher gehört habe.
kann es sein, dass du im mittleren fenster unten gestempelt hast?
jens: Yup. Hab ja im Text über dem Bild geschrieben, was mich alles am Original störte. Mein Kopp gehörte dazu.
Ich hatte eher das umgekehrte Problem: Oft habe ich stundenlang an einem Bild „herumgeshoppt“, um das dürftige Ausgangsmaterial — das eher dem Zufall abgetrotzt war — so hinzubiegen, dass es meiner Vorstellung entsprach. Inzwischen lege ich deutlich mehr Sorgfalt auf den Moment des Fotografierens und bearbeite (verhältnismäßig) kaum noch nach bzw. fast nur noch mit Camera Raw.
Gruß Jens
PS: Ich hätte noch eine Vignette um die Sandsäcke gelegt — für mich das Mittel der Wahl, wenn es um Dramatik geht …