Ken Rockwell
Verbrochen von Herrn Olsen am 01|08|2009Ich habe schon wirklich, wirklich, wirklich viele Fotoseiten im Internet durch.
Wirklich.
Ich habe gelernt, was es mit den Zusammenhängen von Blende, Verschlusszeit und Filmempfindlichkeit auf sich hat. Ich weiß, was chromatische Abberationen sind, worin sich die Mehrfeldmessung von der Spotmessung unterscheidet und warum man den eingebauten Blitz einer Kamera wenn überhaupt nur zum Aufhellen oder als Trigger für einen richtigen Blitz benutzt. Ich kenne den goldenen Schnitt und weiß, was ein Weißabgleich macht und warum der ambitionierteste Hobbyfotograf der Welt seine Bilder bitte in RAW zu schießen hat.
Ich habe mich mit diversen Kollegen, Freunden und Verwandten auf das obligatorische Megapixel-Schwanzmessen eingelassen und fast immer gewonnen. (-:
Und dann hat mir Tetti die Seite von Ken Rockwell empfohlen.
Seitdem ist alles anders.
Ken Rockwell vertritt einige Ansichten, die dem technisch orientierten Knipser (also mir) so widersinnig erscheinen, dass es schon mehrmaliges Lesen und Grübeln braucht um dahinter zu kommen, dass sehr sehr viel Wahres darin steckt.
Beispiele?
- Vergiss RAW
- Vergiss Megapixel
- Vergiss Rauschen
- Vergiss die zig Millionen von Einstellmöglichkeiten
- Deine Kamera ist unwichtig
- Lerne zu sehen
- Fotografiere
Wir haben alle schonmal gehört, dass es nicht die Kamera ist, die das Foto macht, sondern der Fotograf.
Schließlich hat ja auch nicht die Schreibmaschine „Harry Potter“ geschrieben sondern Frau Rowling.
Ken Rockwell beweist, dass es genau so ist. Und ich persönlich glaube ihm.
Ich bin immer noch nicht durch mit seiner Seite aber mittlerweile sehe ich bestimmte Dinge wesentlich lockerer. Ich mache mir weniger Sorgen über Rauschepixel in einem 100%-Crop. Wer schaut sich 15 Megapixelbilder in der 100%-Ansicht an? Welches Medium könnte solche Bilder darstellen? Ein Monitor? Ein Beamer? Ein 10×15-Abzug?
Eben.
Was ist mit der Schärfe? Das gleiche. Selbst ein leicht verwackeltes, unscharfes 5 Megapixel Handyfoto sieht scharf aus, wenn man es auf Bildschirmtaugliche 25% eindampft. Wen interessiert es also?
Betrachtet man das Bild als Ganzes (also nicht nur einen 100% Ausschnitt bei dem ein 10tel des Bildes auf den Monitor passt) dann zählt tatsächlich nur, ob das Bild gut aussieht. Und das hängt von einer ganzen Menge Faktoren ab – nicht aber von der Schärfe, nicht von Verzeichnungen und auch nicht vom Rauschen. Diese Faktoren zu kennen und für sich zu nutzen – darauf kommt es an.
So wie es bei einer Kamera darauf ankommt, dass man mit ihr zurechtkommt. Dass sie sich gut bedienen lässt, und man ihre Schwächen kennt.
Das hört sich für mich alles ziemlich plausibel an.
Oder könnt ihr ohne Probleme sagen, welches von diesen beiden das Handyfoto ist?
Wenn euch also eine ziemlich radikale Sichtweise nicht abschreckt – lesen!
Hier geht’s zu seiner Seite -> kenrockwell.com
Fein, dass ich Dir da ein paar kurzweilige Stunden beschert habe. In vielen Dingen kann ich die Ansicht von KR unterschreiben, in manchen Dingen übertreibt er (vielleicht auch absichtlich). Auch ein Spitzenkoch kann aus verdorbenen Zutaten kein genießbares Menü zaubern. Die Technik, das Material steht nicht im Vordergrund, aber es ganz zu vernachlässigen, ist etwas übertrieben. Wenn ich einen Eisvogel an der Wupper fotografieren möchte, nur ein 50mm Objektiv mein Eigen nenne, dann kann ich direkt im Bett bleiben und weiter von einem Tele träumen. Und kommt mir jetzt nicht mit: „Geht doch! Kamera in der Nähe des Nestes montieren und Bewegungsmelder als Auslöser nutzen.“
Schönes Wochenende und viel Erfolg beim Sehenlernen.
Tetti: Damit hast du natürlich recht. Allerdings ist es -das Tele vorausgesetzt- dann wieder ziemlich egal, was da für ein SLR-Body dranhängt oder ob’s ne Suppenzoomkamera ist. Und wenn man den Eisvogel dooferweise im Gegenlicht und mit nem Haufen Gemüll im Hintergrund und störenden Ästen im Vordergrund erwischt hilft auch das beste Handwerkszeug nix. Diejenigen, die dann trotzdem ein Bild machen und es als das Meisterwerk des Jahres sehen, weil es mit ner 29Megapixel Hasselblad geschossen wurde hätten ihren Hintern besser auf die andere Wupperseite geschwungen.
Leider fallen wir immer wieder auf das Marketing-Geschrei herein.
Ich finde das Parisbild ansprechender. Grundsätzlich finde ich auch, daß Herr Rockwell da weise Worte spricht. Mir kommt es oft genug nur drauf an, einen bestimmten Moment zu erwischen und will nicht an 7182192 Parametern rumschrauben, bis es technisch perfekt ist (und der Moment vergangen…).
Es hilft aber trotzdem seine eigene Kamera gut zu kennen. Und hinterher kann man immer noch mit einer geeigneten Bildbearbeitungssoftware Dinge nachjustieren.
Ich denke auch es ist das aus Brasilien, das mit dem Handy aufgenommen ist. Das Dach des linken Gebaudes „flirrt“ irgendwie, während man auf dem Paris Bild das Gitter auf dem rechten Dach noch sehr klar sieht.
Ich hab noch eine lustige Geschichte zu „Profis“: vor vielen, vielen Jahren war ich im Urlaub in der Provence. Natürlich haben wir uns die berühmte Van Gogh’sche Zugbrücke angeschaut. Mein Schwager und ich sind hin, Kamera raus, 2-4 Fotos gemacht (alles noch analog) und gut wars. Dann stand da aber noch so ein Typ … mit einer fetten Hazelblad und einen Stativ. Das Stativ hat er 15 Minuten lang „ausgerichtet“, so dass jedes der Beine auf einer anderen Holzbohle stand (der beste Platz zum fotographieren war eine andere Holzbrücke). Dann hat er mit der Wasserwaage gecheckt und eingerichtet. Dann hat er noch mit einem Hand-Belichtungsmesser rumgefummelt. Anschliessend hat er rumbalanciert und sich so hingestellt, dass er keine der Holzbohlen, auf denen das Stativ steht, berührt und hat mit einem Fernauslöser (so mit Kabel) ausgelöst.
Und dann hätte er beinahe zu weinen angefangen: Irgendwie stand die Kamera scheint es im falschen Modus, jedenfalls hat das Auslösen dazu geführt, dass die Kamera an die 20 identische Bilder geschossen hat und dann war der super-sündhaft teuere Film der Hazelblad voll.
*lmao*
Insofern stimmt ich dyfa 100% zu: „Es hilft aber trotzdem seine eigene Kamera gut zu kennen.“
Maex: Wenn dieser vermeintliche Vollprofi dann noch zur Mittagszeit geknipst hat war das Ergebnis sicher „perfekt“ (-:
Danke fürs Verlinken, macht Spaß, dort zu lesen und zu stöbern. Und dabei hab ich null Ahnung vom Fotografieren (und schrecklich zitternde Hände, weswegen ich ohnehin nie scharfe Bilder hin bekomme). Ken Rockwell mag in einigen Dingen übertreiben (das merke ich auch als Fotografier-N00b), aber das ist wenigstens eine sympathische Übertreibung. Da fühlt man sich als Besitzer einer Schnappschusskamera wenigstens nicht wie der letzte Vollidiot.
Finja: Ja. Seine Art der Übertreibung gefällt mir auch. Amerikaner halt. Und natürlich werde ich meine Kamera nicht wegschmeissen.
Ich habe die Fotos von KR vor einiger Zeit auch entdeckt. Ist schon der Hammer was der da so präsentiert. Allerdings hat er natürlich bei den Locations immer fantastische Motive und ein nahezu perfektes Licht. Das beides im Bergischen aufeinander trifft, dürfte wohl eher eine Ausnahme sein.
Tetti und seinem Eisvogel-Beispiel muss ich recht geben. Da würde ich mich gar nicht aus der Haustür bewegen. Trotzdem ist der ganze Technikhype schon Wahnsinn. Um wieder auf den Boden der Tatsachen zu kommen, stöbere ich gerne in alten sw Fotokisten. Bei den alten Aufnahmen wird mir immer wieder bewusst, dass es auch ohne den ganzen Super-Duper-Technikkram geht.
Ja, schlimm wird es, wenn man vor lauter Technik-Fixiertheit gar nicht mehr zum Blick auf das wesentliche kommt: Nämlich die Fotografie selber. Das habe ich in vielen Amateurfotografen-Runden erlebt.
Und wenn man dann zum Clubabend sämtliches Equipment mitbringt, anstatt einmal Bilder zu zeigen und zu diskutieren, ist das schon sehr seltsam.
Zunächst, das Bild aus Brasilien ist das Handyfoto und, Ken Rockwell macht tolle Sachen und kennt sich in vielen Gebieten sehr gut aus. Einige der Beispiele auf seiner Seite sind jedoch absichtlich etwas übertrieben darfestellt um sie zu verdeutlichen. Mehr als einen Schritt zurück zu machen und sich nicht im Pixelzählen oder Tehcnikrausch zu verlieren ist absolut richtig. Trotzdem geht in letzter Konsequenz nichts an professionellem Equipment vorbei, das nicht nur dem harten Einsatz gewachsen ist, sondern auch blitzschnell und Qualitativ am Limit des derzeit machbaren. Je nach Bildwahl gibt es auch Beispiele, wo man selbst nach einer Reduzierung auf 10% der Bildgröße noch den Unterschied sieht zwischen einem 9 Megapixel oder 21 Megapixel Bild. Mit dem entpsrechend dafür passenden Bildmaterial geht das. Ken Rockwells Ansichten treffen für mich zu 90% zu. Bei den restlichen 10% ist dann die Begeisterung mit Herrn Rockwell etwas durchgegangen, was absolut in Ordnung geht. Die Grundaussage ist ja richtig. Gruß aus Köln, dirk
Danke für dne Beitrag.
Ich bin – seit ich das erste Mal auf Ken gestossen bin – ein absoluter Fan.
Seine Berichte überzeugen und sein Know-how ist Weltklasse. Immer wenn ich ne neue Kamera anschaffe, ist ein Blick bei Ken obligatorisch.